Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch Stromversorger nach der Beschädigung eines erdverlegten Stromkabels im Rahmen von Tiefbauarbeiten ist an sich nichts Neues. Neu ist jedoch das Verlangen des geschädigten Versorgungsunternehmens (Netzbetreiber) gegenüber dem Schädiger, den entgangenen Gewinn aufgrund der herabgesetztern Erlösobergrenzen nach der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) zu ersetzen. Dieser entgangene Gewinn liegt nicht selten, abhängig von der Dauer der Stromunterbrechung, im fünfstelligen Euro-Bereich.

Bei diesem Schaden handelt es sich um einen so genannten Sachfolgeschaden, mit anderen Worten resultiert dieser Schaden aus der Beschädigung des Eigentums an der Versorgungsleitung. Sachfolgeschäden sind anders als die reinen Vermögensschäden auch dann grundsätzlich ersatzfähig, wenn zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem für die Schädigung verantwortlichen Bauunternehmen keine Vertragsbeziehung besteht. Die gesetzliche Anspruchsgrundlage ist § 823 Abs.1 BGB.
Die Begründung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche durch das betroffene Versorgungsunternehmen ist – wegen der Komplexität der Rechtsmaterie vereinfacht zusammengefasst -folgende:
Aufgrund der mit dem Leitungsschaden verbundenen Stromunterbrechung kann die Bundesnetzagentur gegenüber dem Versorgungsunternehmen unter in der ARegV festgelegten Voraussetzungen einen so genannten Malus verhängen. Die durch einen Dritten verursachte Stromunterbrechung ist dabei jedoch nur eines von mehreren für die Bestimmung des Qualitätselementes zu berücksichtigenden Kriterien. Verhängt die Regulierungsbehörde einen Malus, wirkt sich dieser auf die Erlösobergrenzen des Netzbetreibers aus. Hierbei handelt es sich um die Obergrenzen der zulässigen Gesamterlöse eines Netzbetreibers aus den Netzentgelten (§ 4 ARegV). Durch die Herabsetzung der Erlösobergrenzen entgeht dem Netzbetreiber ein Gewinn, den dieser von dem Bauunternehmen, welches für den Kabelschaden verantwortlich ist, ersetzt verlangt.

Die uneinheitliche Rechtsprechung:

Seit dem Jahr 2014 befassen sich bundesweit zahlreiche (Zivil-) Gerichte mit der Frage  der Ersatzfähigkeit dieser Sachfolgeschäden. Die Rechtsprechung ist bislang uneinheitlich. Der Großteil der mir bekannten Urteile gelangte zu dem Ergebnis, dass der geltend gemachte Sachfolgeschaden nicht ersatzfähig ist, da dieser nicht vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB erfasst sei. Die klageabweisenden Urteile werden überwiegend damit begründet, dass die Möglichkeit des Versorgungsunternehmens, diese Schäden auf das verantwortliche Bauunternehmen abzuwälzen, mit den Grundgedanken der ARegV nicht vereinbar seien. Die zu Grunde liegende Rechtsfrage ist allerdings bislang nicht höchstrichterlich geklärt.  Das OLG München hat als erstes Oberlandesgericht in einem Beschluss Stellung bezogen und die bauunternehmerfreundliche Auffassung vertreten, dass diese Art von Schäden nicht ersatzfähig seien. Das Thüringer Oberlandesgericht hat in einem Berufungsverfahren, an dem ich als Beklagtenvertreter direkt beteiligt war, eine gänzlich andere Rechtsauffassung eingenommen und den Schaden grundsätzlich als erstattungsfähig erachtet.  Das erstinstanzlich befasste LG Erfurt hatte die Klage des Netzbetreibers noch abgewiesen.

Ausblick:

Die Verfahren zeigen, dass die Instanzgerichte zum Teil auf dem für Sie „juristischen Neuland“ überfordert sind und keine einheitliche Rechtsprechung existiert und auch nicht in absehbarer Zeit zu erwarten ist. So hat beispielsweise eine Zivilkammer am Landgericht Hamburg die Ersatzfähigkeit des Schadens verneint, während der Einzelrichter einer anderen Zivilkammer zu dem meines Erachtens falschen Ergebnis gelangt ist, dass der Schaden dem Grunde nach von dem Bauunternehmen zu ersetzen ist. Eine Rechtsklarheit wird es dann gegeben sein, wenn der Bundesgerichtshof über diese Rechtsfrage entschieden hat. Bis dahin können allerdings noch einige Jahre vergehen.
Sollten Sie in der täglichen Praxis mit derartigen Schäden konfrontiert werden, steht ich Ihnen gerne rechtsberatend zur Seite. Das Beratungsangebot richtet sich sowohl an die betroffenen Bauunternehmen als auch an die hinter diesen stehenden Betriebshaftpflichtversicherungen.