Das Corona-Virus und seine Auswirkungen auf Mietverträge

In den vergangenen Tagen bin ich wiederholt von Mandanten, aber auch Freunden und Bekannten darauf angesprochen worden, welche rechtlichen Auswirkungen das Corona-Virus auf bestehende Mietverträge hat. Insbesondere die Gewerbetreibenden sind derzeit besonders stark durch das Virus betroffen, sei es dadurch, dass Kunden fernbleiben oder aber das Gewerbe aufgrund von behördlich angeordneten Schließungen schlichtweg nicht mehr ausgeübt werden kann.

Ich möchte mit meinen nachfolgenden Ausführungen eine kleine Übersicht darüber geben, welche (miet-) vertraglichen Auswirkungen das Virus sowohl auf Wohnraum- als auch Gewerberaummietverträge hat.

„Pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten

Auch in Krisenzeiten gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“ unverändert fort – die geschlossenen Verträge müssen von den Vertragsparteien eingehalten werden. Die Vertragsparteien bleiben auch in Krisen wie der andauernden Corona-Krise zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten verpflichtet. Danach muss der Mieter weiterhin den Gebrauch an der Mietsache überlassen; der Mieter ist verpflichtet, im Gegenzug die geschuldete Miete an den Vermieter fortzuzahlen.

Das Corona-Virus als Mietmangel?

Sowohl der Mieter von Wohnraum als auch der gewerbliche Mieter sind berechtigt, die Miete zu mindern, wenn die Mietsache mangelbehaftet ist (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB).

Trotz der Corona – Krise kann der Mieter einer Wohnung diese auch weiterhin nutzen. Ob der Mieter wegen der generellen Auswirkungen der Krise auch weiterhin in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Miete aufzubringen, ist für die Beantwortung der Frage nach einem möglichen Mietmangel unerheblich. Der Mieter muss somit unvermindert die Miete an seinen Vermieter zahlen. Er kann nur in Ausnahmefällen auf das Entgegenkommen seines Vermieters und dessen Bereitschaft hoffen, gegebenenfalls die Miete zu stunden und/oder für einen gewissen Zeitraum zu reduzieren. Einen Anspruch hierauf gibt es allerdings nicht.

Kein Mietmangel bei behördlich angeordneten Schließungen von Betriebsarten

Die Schließungen von Einzelhandelsgeschäften oder Gastronomiebetrieben führen im Ergebnis zwar dazu, dass der im Gewerbemietvertrag vorgesehene Zweck vorübergehend unmöglich wird; sie stellen jedoch keinen Mietmangel im oben genannten Sinne dar.

Gebietsabriegelungen und/oder Geschäftsschließungen beeinträchtigen zwar den Gebrauch der Mietsache, liegen jedoch außerhalb des Einflussbereiches des Vermieters und beeinträchtigen nicht unmittelbar die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache.

Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen begründen nach der bisherigen Rechtsprechung nur dann einen Mietmangel, wenn sie tatsächlich auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruhen. Nicht als Mangel gelten Nutzungseinschränkungen, die ihre Ursache in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben.

Bezieht sich die Schließung des Betriebes darauf, dass ein bestimmtes Objekt nicht mehr betrieben werden darf, kommt unter Umständen eine Mietminderung in Betracht. Anders verhält es sich allerdings, wenn sich die Anordnung/Betriebsschließung nicht auf einen einzelnen Betrieb, sondern ganze Betriebsarten, wie beispielsweise Einzelhandelsgeschäfte, Gastronomiebetriebe, Fitnessstudios etc. bezieht. Das Risiko der Betriebsart trägt grundsätzlich der Mieter. Dieser ist es damit auch im Falle einer Betriebsschließung nicht berechtigt, gegenüber seinem Vermieter die Miete zu mindern.

Gegen das Recht, die Miete zu mindern, spricht auch der Umstand, dass der Mieter der Gewerbeeinheit grundsätzlich auch nach der Schließung noch in der Lage ist, die Mietsache zu nutzen, beispielsweise zum Zwecke der Inventur, etwaiger Umbauten etc. Dass der Mieter durch diese Art der Nutzung letztlich nicht mehr in der Lage ist, seine Kosten zu decken ist einmal mehr für die Frage nach einem Mietmangel unerheblich.

Rechtliche Unmöglichkeit nach § 275 I BGB?

Der Vermieter ist gesetzlich verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Der Vermieter hat dabei die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Der Umfang der Gebrauchsüberlassungspflicht des Vermieters richtet sich nach dem Vertragsinhalt und dem Vertragszweck.

Mittlerweile mehren sich die Stimmen der Kollegen, wonach Geschäftsschließungen aufgrund des Coronavirus eine rechtliche Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassungspflicht im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB begründen. Wird dem Vermieter die Gebrauchsüberlassung zum vertraglich vorausgesetzten Zweck unmöglich, entfällt im Gegenzug die Pflicht des Mieters, die Miete zu entrichten; der Mieter wird leistungsfrei (§ 326 I BGB).

Diese Rechtsansicht teile ich nicht. Nach meiner Einschätzung liegt kein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit vor, da der Vermieter auch weiterhin seine vertraglichen Pflichten, insbesondere die Pflicht zur Überlassung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch erfüllen kann.

Das Corona Virus als Grund für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB

Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht in § 313 eine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Haben die Vertragsparteien bei Abschluss des Mietvertrages mit gewissen für den Abschluss des Vertrages relevanten Umständen nicht gerechnet, die zu einer gravierenden Veränderung der Geschäftsbeziehung führen, kann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine rechtliche Korrektur erforderlich sein.

In besonderen, allerdings sehr eng begrenzten Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der „Störung der Geschäftsgrundlage“ gemäß § 313 Abs. 1 BGB zu verlangen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes trägt jedoch bei der Gewerberaummiete der Mieter das grundsätzliche Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Hierzu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des Gewerbemieters. Danach fällt es in den alleinigen Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäftes in der gewählten Lage abzuschätzen (BGH, Urteil vom 17.3.2010, XII ZR 108 / 8).

Für die vorliegende Krise bedeutet dies, dass die bestimmungsgemäße Verwendung der Mietsache, beispielsweise die der zum Betrieb eines Restaurants angemieteten Räume in die Risikosphäre des Mieters fällt und dieser demnach keine Vertragsanpassung, beispielweise eine Herabsenkung der Miete verlangen kann.

Es kann aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die vorgenannten Grundsätze von den Gerichten angesichts der existenzbedrohenden Auswirkungen der Corona-Krise auf die Einzelhändler, Gastronomen und Dienstleister zum Vorteil dieser künftig aufgeweicht werden könnte. Eine solche Änderung der Rechtsprechung erscheint zum jetzigen Zeitpunkt m.E. eher unwahrscheinlich, kann aber selbstverständlich zum jetzigen Zeitpuinkt nicht ausgeschlossen werden.

Stellungnahme der Bundesregierung (Stand 27.3.2020): Mieter müssen weiterhin Miete zahlen

Auch die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass Mieter in der Corona-Krise auch weiterhin verpflichtet bleiben, die Mieten zu zahlen. Auf der Homepage der Bundesregierung heißt es hierzu:

Das Recht der Vermieter, Miet- und Pachtverhältnisse wegen Zahlungsrückständen zu kündigen, wird für einen begrenzten Zeitraum eingeschränkt. Diese Einschränkung gilt für die Fälle, in denen die Rückstände auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhen. Die Regelung ist auf den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 begrenzt. Die Pflicht des Mieters oder Pächters zur fristgerechten Zahlung bleibt jedoch auch in dieser Zeit bestehen. Zahlungsrückstände aus dem Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2020 berechtigen den Vermieter – für die Dauer von 24 Monaten – nicht zur Kündigung. Erst, wenn der Mieter oder Pächter die Zahlungsrückstände auch nach dem 30. Juni 2022 noch nicht beglichen hat, kann ihm wieder gekündigt werden.

https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/corona-informationen-miete-verbraucherschutz-1734914

Fazit :

Nach der jetzigen Rechtslage liegt das wirtschaftliche Risiko für den Fall einer behördlichen Anordnung zur Schließung eines Restaurants, Einzelhandelgeschäfts oder eines Sportstudios grundsätzlich beim Mieter. Eine Mietminderung scheidet derzeit ebenso aus wie eine Vertragsanpassung.

Mietzahlungen nicht eigenmächtig einstellen! Zahlungen ggfls. unter Vorbehalt leisten

In keinem Fall sollte der Mieter ohne Rücksprache mit dem Vermieter aufgrund seiner eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten die Mietzahlungen einstellen. Dies könnte im schlimmsten Fall eine außerordentliche Kündigung des bestehenden Mietvertrages nach sich ziehen.

In begründeten Fällen sollte vielmehr das direkte Gespräch mit dem Vermieter gesucht werden. Möglicherweise kommt der Vermieter dem Mieter aufgrund dessen unverschuldeter Notlage entgegen, beispielsweise durch Mietstundungen und/oder eine vorübergehende Herabsetzung der Miete.

Es bietet sich an, künftige (Gewerbe-) Mietzahlungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung an den Vermieter zu überweisen, sodass nach einer gerichtlichen Klärung der vorstehenden Rechtsfragen die Möglichkeit besteht, die unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen ganz oder zum Teil von dem Vermieter zurückzufordern.

Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Vermieter!

Der Vermieter wird in diesem Zusammenhang ein Eigeninteresse daran haben, über das Ende der Krise hinaus, das Mietverhältnis mit seinem ansonsten zuverlässigen Mieter fortzusetzen. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten schon jetzt zu prognostizieren, dass durch die gewaltigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise in den kommenden Monaten zahlreiche Insolvenzen folgen werden und dann zu einem Leerstand von Gewerbeimmobilien führen. Gerade bei Gewerbeimmobilien, die sich nicht in 1a Lagen befinden, wird der Vermieter gut beraten sein, alles Zumutbare dafür zu tun, den Fortbestand des Mietvertrages über die Corona-Krise hinaus zu sichern.

Update 04.04.2020

Große Gewerberraummieter wie Adidas, H&M oder Galeria Kaufhof haben die behördlich angeordneten Schließungen ihrer Ladenlokale zum Anlass genommen, die Mieten zu mindern bzw. die Mietzahlungen einzustellen. Adidas ist aufgrund der Drucks der Öffentlichkeit zwischenzeitlich „zurückgerudert“ und zahlt wieder die Mieten.

Die Geschehnisse der letzten Tage haben dazu geführt, dass sich zahlreiche Kollegen mit der Rechtsfrage beschäftigt haben, ob die Geschäftssschließungen die Gewerbemieter nicht doch berechtigen, die Mietzahlungen einzustellen. Von mehreren Kollegen wird dies bejaht.

Ich bleibe bei meiner Rechtsauffassung, dass weder ein (Rechts-) Mangel, noch eine vorübergehende Unmöglichkeit gegeben sind und die Einstellung der Mietzahlungen auch nicht durch einen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründet ist.

Letztlich müssen die Gerichte in den kommenden Monaten und Jahren die oben aufgeworfenen Rechtsfragen beantworten. Vor diesem Hintergrund sollten die Mieten künftig unter Vorbehalt gezahlt werden, um sich so die Möglichkeit zu sichern, im Falle „mieterfreundlicher“ Gerichtsentscheidungen, die Miete zurückfordern zu können.