Klage des Leasingnehmers nach einem Verkehrsunfall in gewillkürter Prozessstandschaft ( BGH, Urteil vom 17.01.2023 – VI ZR 203/22)

In dem vom 6. Zivilsenat des BGH entschiedenen Fall ging es um die Schadensersatzansprüche des Klägers ( Leasingnehmers) nach einem Verkehrsunfall, den der Kläger mitverschuldet hatte. Der Kläger hatte u.a. die Ansprüche auf Erstattung der Wertminderung und der Reparaturkosten als originäre Ansprüche des Eigentümers ( Leasinggebers) mit Zustimmung des Leasinggebers im eigenen Namen geltend gemacht. Das Ausgangsgericht und das Berufungsgericht haben die Auffassung vertreten, dass bei den vorgenannten Ansprüchen ein Mitverschulden des Leasingnehmers anspruchsmindernd berücksichtigt werden muss.

Abgrenzung eigene Ansprüche des Leasingnehmers und Ansprüche des Leasinggebers als Eigentümer des PKW

Es ist zu unterscheiden zwischen den Ansprüchen, die dem Leasingnehmer als Besitzer zustehen (Nutzungsausfallenschädigung / Mietwagenkosten, Gutachterkosten, Kostenpauschale) und den Ansprüchen des Leasinggebers als Eigentümer des Leasing-Fahrzeuges ( Wertminderung, Reparaturkosten) , die der Kläger in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemacht hat.

keine Kürzung der originären Ansprüche des Leasinggebers um ein Mitverschulden des Leasingnehmers

Dem Leasinggeber steht aufgrund der Beschädigung seines Eigentums ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ggü. dem Schädiger zu. Weitere Anspruchsgrundlage des Leasinggebers ist § 7 StVG. Auf seinen Anspruch aus der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG muss sich der Leasinggeber ein Verschulden des Leasingnehmers über § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen. Mit anderen Worten kann der den Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten und Wertminderung im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft klageweise geltend machende Leasingnehmer nur einen um seinen Mitverschuldensanteil gekürzten Anspruch geltend machen.

Etwas anderes gilt für den deliktischen Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB. Eine Zurechnung des Mitverschuldens des Leasingnehmers über § 254 Abs. 2 S. 2 kommt nicht in Betracht, weil der Leasingnehmer bei der Teilnahme am Straßenverkehr nicht Erfüllungsgehilfe des Leasinggebers/Eigentümers ist. Danach könnte also der in gewillkürter Prozessstandschaft klagende Leasingnehmer den vollen Schadensersatz fordern, obwohl er den Unfall mitverschuldet hat.

Ausnahme bei bereits durch den Leasingnehmer bezahlter Reparaturkostenrechnung

Wenn der Leasingnehmer, wie in dem vom BGH entschiedenen Fall, die Reparatur des Schadens an dem Leasingfahrzeug auf der Grundlage eines von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens bereits durchgeführt hat und die Reparaturkosten von der Werkstatt dem Leasingnehmer bereits in Rechnung gestellt worden sind, handelt es sich bei den Reparaturkosten nicht (mehr) um einen ersatzfähigen Schaden des Leasinggebers, da dieser gegenüber dem Leasingnehmer gerade nicht verpflichtet ist, die Reparaturkosten zu übernehmen. Vielmehr ist es der Leasingnehmer, der aufgrund seines Verschuldens dem Leasinggeber gegenüber verpflichtet ist, die Reparaturkosten zu übernehmen. Der Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten ist in diesem Fall kein originärer Anspruch des Leasinggebers, sondern ein eigener Anspruch des Leasignehmers mit der Folge, dass die von dem Pkw ausgehende Betriebsgefahr ebenso anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist, wie das Mitverschulden des Leasingnehmers. Der Leasingnehmer kann also den Anspruch nur in Höhe der Haftungsquote des Schädigers ersetzt verlangen.

keine „dolo agit Einrede“ des Unfallverursachers

Nach der sog. „dolo agit Einrede“ kann der Anspruchsberechtigte nicht etwas verlangen, was er an den Anspruchsgegner wieder herauszugeben hätte. Im vorliegenden Fall hat der BGH festgestellt, das sowohl der Anspruchsgegner als auch der Leasingnehmer aufgrund des nachgewiesenen Verschuldens dem Leasinggeber gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sind. Wenn also der Schädiger zum Ersatz der vollen Wertminderung verurteilt wird, könnte er über seinen Haftungsanteil hinaus gemäß §§ 840, 426 BGB Regress bei dem Leasingnehmer nehmen, der den Schaden mitverursacht hat. Gleichwohl hat der BGH die Anwendbarkeit der vorgenannten Einrede verneint, da der Leasingnehmer nicht eigene Ansprüche geltend macht, sondern den ungekürzten deliktischen Anspruch des Leasinggebers.

Notwendigkeit einer Korrektur eines „ungerechten“ Ergebnisses

Anders als der BGH hatte die frühere Instanzrechtsprechung eine Verschuldenszurechnung bei der Geltendmachung der Ansprüche des Leasinggebers durch den Leasingnehmer bejaht und dies damit gerechtfertigt, dass es ungerecht wäre, wenn der Leasingnehmer trotz seines Mitverschuldens im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft einzelne Schadensersatzpositionen des Eigentümers nichtsdestotrotz zu 100 % ersetzt bekommen würde. Diese Ungerechtigkeit sieht der BGH nicht. Er weist darauf hin, dass der Leasinggeber seine Schadensersatzansprüche auch direkt hätte klageweise geltend machen können, ohne dass er sich ein entsprechendes Mitverschulden oder die von dem Pkw ausgehende Betriebsgefahr zurechnen lassen müsste.

Der Schädiger und dessen Versicherung haben allenfalls die Möglichkeit, in dem Klageverfahren einer über die Haftungsquote hinausgehenden Verurteilung dadurch zu begegnen, dass eine sogenannte (Hilfs-) Widerklage erhoben und beantragt wird, den Leasingnehmer als Kläger zu verurteilen, den Schädiger (Beklagten) von dem Anspruch des Leasinggebers auf restlichen Ersatz der Wertminderung in Höhe des über die eigentliche Haftung hinausgehenden Betrages freizustellen.